Dr. Susanne Krogull

Der von der Bundesregierung initiierte bildungspolitische Freiwilligendienst „weltwärts“ wird auf programmatischer Ebene als Lerndienst definiert. Eine zentrale Forschungsfrage in diesem Kontext ist, ob interkultureller Kontakt automatisch zu einem interkulturellen Lernerfolg und der Einsatz in einem Land der Entwicklungszusammenarbeit zu weltgesellschaftlichem und Globalem Lernen führt. Forschungsergebnisse zeigen, dass diese Fragen nur bedingt bejaht werden können, da entwicklungspolitische Freiwilligendienste sowohl Chancen als auch Risiken für Lernprozesse mit sich bringen. Zu den Chancen zählt, dass durch die Veränderung des persönlichen Nahbereichs über einen längeren Zeitraum, abstrakte Themen erfahrbar und damit begreifbar werden können.
Außerdem findet ein Perspektivwechsel statt, durch welchen die Lebenssituationen Anderer selbst erlebt und in direktem Kontakt diskutiert werden können. Schließlich kommt es zu einem Prozess der Selbstreflektion der eigenen Lebensweise, Werte und Normen und dadurch zu einer hybriden Identitätsentwicklung. Andererseits ergeben sich auch eine Reihe von Risiken. Lernen basiert auf einem Prozess der Abstraktioneigener Erfahrungen mit dem Ziel, Strukturen und Mechanismen zu erkennen. Findet keine Abstraktion statt, besteht die Gefahr, dass Erfahrungen zwar zu persönlicher Betroffenheit, jedoch nicht zu einem Verständnis globaler Zusammenhänge führt. Kritisch zu reflektieren ist außerdem, das rückgekehrte Freiwillige oft als „Experten“ für ein Land angesehen werden, ohne zu vermitteln, dass ihr Wissen trotz des Freiwilligendienstes begrenzt ist. Ein weiterer kritischer Punkt des Lernens in und von Freiwilligendiensten ist die Reproduktion paternalistischer Blickweisen und kolonialer Verhältnisse. Um diese zu verhindern ist eine Thematisierung und Reflektion der eigenen Position in dem Partnerland von großer Bedeutung. Als Produkt von Freiwilligendiensten kann das Engagement nach der Rückkehr gesehen werden. Auch hier laufen bestimmte Formen (z.B. Spendenaktionen zur Unterstützung des Globalen Südens) Gefahr, Abhängigkeiten und koloniale Strukturen zu reproduzieren. Chancen und Risiken hängen von der Lernsituation ab, da Lernen immer kontextgebunden ist und auf der Interaktion zwischen Individuum und der Umgebung basiert. Dabei ist die Umwelt nie statisch, sondern ein Produkt der wechselseitigen Beziehung zwischen Umwelt und Individuum. Der Lernprozess in Freiwilligendiensten verändert damit nicht nur die Freiwilligen, sondern auch die Organisationen und ihre Umwelt